Über das Biografische Lexikon

Ziel und Entstehungshintergrund

Dieses Biografische Lexikon der Kommunikationswissenschaft (BLexKom) gibt dem Fach (im deutschsprachigen Raum) ein Gesicht. Vorgestellt werden die zentralen Akteure der Kommunikationswissenschaft: Professoren, Habilitierte und alle anderen Personen, die einen gewichtigen Beitrag geleistet haben – von Karl Bücher bis zu den frisch Berufenen. Jeder Eintrag bietet neben biografischen Angaben einen Überblick über die wichtigsten Publikationen und über die Sekundärliteratur sowie eine knappe Einordnung von Person und Werk in soziale und kognitive Hintergründe des Fachs. BLexKom wird vom Münchner Fachinstitut und dem Herbert von Halem Verlag produziert und greift dabei vor allem auf die Expertise zurück, die in zahlreichen fachgeschichtlichen Forschungsprojekten am Lehrbereich von Michael Meyen entwickelt wurde.

Warum braucht man BLexKom?

Wissenschaft wird von Personen gemacht (Meyen 2004, 2012). Gerade bei einer relativ jungen und kleinen Disziplin ist von einem starken Einfluss der einzelnen Wissenschaftlerpersönlichkeiten auszugehen. Die Lebensläufe der handelnden Personen sind für die Kommunikationswissenschaft auch deshalb von besonderem Interesse, weil sich eine ganze Reihe von sozialwissenschaftlichen Nachbardisziplinen, verschiedene Philologien sowie die Rechts- und Wirtschaftswissenschaften ebenfalls mit Fragen der öffentlichen Kommunikation und ihren Auswirkungen beschäftigen und so zum interdisziplinären Charakter des Fachs beitragen. Dazu kommt ein Interesse, das sich mit dem Begriff „soziales Vergleichen“ umschreiben lässt. Typische Karriereverläufe und anstehende Generationswechsel erlauben Rückschlüsse auf individuelle Chancen, auf die eigene Position und auf Anforderungen an die Nachwuchsförderung.

Arbeitszimmer von Karl d'Ester (Quelle: Privatarchiv Heinz Starkulla junior)

Arbeitszimmer von Karl d’Ester (Quelle: Privatarchiv Heinz Starkulla junior)

Trotzdem gibt es bisher kein Buch und keine Internetplattform, die die zentralen Akteure der (deutschen) Kommunikationswissenschaft vorstellen. Dass Denkinhalte durch den sozialen Standort der Denkenden beeinflusst werden, durch das, was Karl Mannheim „Seinsfaktoren“ genannt hat (1952: 230), spielt auch in der Ausbildung eine untergeordnete Rolle. Die Ursache ist möglicherweise ein Wissenschaftsverständnis, das keine subjektiven Spuren in Forschungsergebnissen und theoretischen Ansätzen zulässt. Studenten wissen deshalb über Autoren auch aktueller Texte in der Regel sehr wenig. Hier setzt BLexKom an. Erfasst werden alle Personen, die sich im deutschsprachigen Raum zum Fach rechnen lassen. Zeitlicher Ausgangspunkt ist dabei die Gründung des Instituts für Zeitungskunde 1916 in Leipzig (erste fachliche Einrichtung in Deutschland). Das Lexikon leistet damit auch einen Beitrag zur Identitätsbildung. Die Lebensläufe geben Aufschluss über die Entwicklung des Fachs, beugen der „Traditionsvergessenheit“ (Pöttker 2001: 17) vor und ermöglichen das Aufzeigen von Querverbindungen zwischen Personen und/oder Institutionen.

Personenauswahl und Gestaltungsprinzipien

Jede Arbeit zur Kommunikationswissenschaft steht vor dem Problem, die Grenzen des Fachs bestimmen zu müssen. Eine befriedigende Lösung ist angesichts der Vielfalt der Instituts- und Lehrstuhlbezeichnungen und des unklaren äußeren Erscheinungsbildes nicht in Sicht. Eine ganze Reihe der seit den 1980er-Jahren entstandenen Subdisziplinen wie Medienpsychologie, Medienpädagogik, Medienpolitik, Mediensoziologie, Film- und Bildwissenschaft, Medienökonomie, Medienrecht oder Mediengestaltung entziehen sich einer eindeutigen Zuordnung. BLexKom erfasst den Kern des Fachs. Dieser Begriff ist problematisch, weil die Vorstellungen darüber, was zum Kern zu zählen ist, auseinandergehen und jedes Abgrenzungskriterium willkürlich wirken muss. Wählt man das Selbstverständnis, kommt man auf einen anderen Personenkreis als bei der Zugehörigkeit zu Institutionen, und bei der Beschränkung auf Vollstudiengänge oder auf die universitäre Ausbildung fallen Wissenschaftler heraus, deren Zugehörigkeit zum Kern des Fachs unstrittig sein dürfte.

Lutz Erbring, Hans-Bernd Brosius, Günter Bentele und Romy Fröhlich auf der DGPuK-Jahrestagung in Dresden 2002 (Foto: DGPuK)

Lutz Erbring, Hans-Bernd Brosius, Günter Bentele und Romy Fröhlich auf der DGPuK-Jahrestagung in Dresden 2002 (Foto: DGPuK)

Bei allem Wissen darum, dass diese Entscheidung diskussionswürdig ist und nicht allen Personen gerecht wird, geht BLexKom vom kleinsten gemeinsamen Nenner aus: von der Aufzählung von Instituten, Fachgebieten, Lehrstühlen und Professuren auf der Webseite der DGPuK (ohne Fachhochschulen und eher künstlerisch-ästhetisch ausgerichtete Programme). Für diese Liste spricht, dass sich die dort verzeichneten Einrichtungen zu den Fachgesellschaften in Deutschland, Österreich und der Schweiz bekannt haben. Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie sich von ihrem Selbstverständnis her dem Kern des Fachs zugehörig fühlen, auch wenn dies für einzelne in den jeweiligen Institutionen lehrende Vertreter nur bedingt gelten mag. Für die Zeit vor 1945 bieten die aus Primärquellen erarbeiteten Aufstellungen von Arnulf Kutsch (1988) und Stefanie Averbeck (1999) einen adäquaten Ersatz.

Erfasst werden alle Personen, die an einer dieser Facheinrichtungen als Professor gelehrt oder eine solche Institution geleitet haben (gilt vor allem für die Zeit vor 1945). Um die offenkundigen Schwächen dieser Auswahl aufzufangen, werden zwei weitere Kriterien herangezogen:

  • Habilitation im Fach (Zeitungswissenschaft, Publizistikwissenschaft, Kommunikationswissenschaft)
  • Ein gewichtiger Beitrag, der über die Dissertation hinausgeht und für eine bestimmte Richtung im Fach zum Standardwerk geworden ist (Beispiele: Otto Groth, Walter J. Schütz)
Otto Groth (Quelle: Kieslich/Schütz 1965)

Otto Groth (Quelle: Kieslich/Schütz 1965)

Diese Auswahlkriterien führen zu rund 300 Personen (Stand: 2013). Der Umfang der Einträge wird nach der Bedeutung für das Fach, nach der Dauer der Fachzugehörigkeit und nach dem zur Verfügung stehenden Material gewichtet. Um die Fehlerzahl zu reduzieren, werden die Beiträge den Betreffenden zur Korrektur vorgelegt und regelmäßig durch den Herausgeber in Zusammenarbeit mit den Autorinnen und Autoren aktualisiert (etwa bei Universitätswechseln und, in größeren Abständen, bei der Notwendigkeit von Neu-Würdigungen).

Warum online, warum über einen Verlag?

Die Online-Publikation ermöglicht es, das Lexikon erstens auf dem aktuellen Stand zu halten (Habilitation, Berufungen, Todesdaten etc.), zweitens neue Erkenntnisse zu einzelnen Personen zu berücksichtigen (wozu auch die Korrektur von Fehlern gehört), das Angebot drittens nach und nach zu erweitern (und nicht alles auf einmal fertig haben zu müssen) und viertens die Umfänge der einzelnen Einträge an die Quellenlage sowie an die Bedeutung der jeweiligen Personen anzupassen. Nicht zuletzt kommt diese Publikationsform den Nutzungsgewohnheiten einer Hauptzielgruppe entgegen (Studierende der Kommunikationswissenschaft). Für eine Plattform im Umfeld des Herbert von Halem Verlags sprechen seine Verankerung im Fach, die im Verlag herausgegebene Reihe Fach- und Theoriegeschichte der Kommunikationswissenschaft und die Verknüpfung mit der Werbung für herkömmliche Publikationen.

Literaturangaben

  • Stefanie Averbeck: Kommunikation als Prozeß. Soziologische Perspektiven der Zeitungswissenschaft 1927-1934. Münster: Lit 1999.
  • Günter Kieslich/Walter J. Schütz: Festschrift für Otto Groth. Bremen: Heye 1965.
  • Arnulf Kutsch: Die Emigration der deutschen Zeitungswissenschaft ab 1933. Anmerkungen zu einem vergessenen Thema. In: Medien & Zeit 3. Jg. (1988), Nr. 1., S. 3-16.
  • Karl Mannheim: Ideologie und Utopie. Frankfurt/Main: G. Schulte-Bumke 1952.
  • Michael Meyen: Wer wird Professor für Kommunikationswissenschaft und Journalistik? Ein Beitrag zur Entwicklung einer Wissenschaftsdisziplin in Deutschland. In: Publizistik 49. Jg. (2004), S. 194-206.
  • Michael Meyen: The Founding Parents of Communication: 57 Interviews with ICA Fellows. An Introduction. In: International Journal of Communication [Online] Vol. 6 (2012), S. 1451-1459.
  • Horst Pöttker (Hrsg.): Öffentlichkeit als gesellschaftlicher Auftrag. Klassiker der Sozialwissenschaft über Journalismus und Medien. Konstanz: UVK 2001.